Angst zählt zu den unangenehmen und unerwünschten Gefühlen, die wir lieber nicht haben möchten. ~ Teufelchen
Und Angst hat eine wichtige Funktion für uns. ~ Engelchen
In diesem Beitrag möchte ich dich einladen, ein wenig versöhnlicher auf deine Angst zu zu sehen und gebe dir ein paar Impulse mit, wie du dich selbst näher mit deiner Angst befassen kannst.

Wer hat schon gerne Angst?
Mal abgesehen von Menschen, die Horror-Filme gucken, auf Geisterbahnen oder in Gruselhäuser gehen, Achterbahnen fahren oder andere Herausforderungen suchen.
Das sind spezifische Situationen, in denen die Angst ein willkommenes Gefühl ist.
Lieber weg mit der Angst?
In der Serie „The Order“ (keine Empfehlung) nimmt ein Dämon den Menschen die Angst mit verheerenden Folgen. Stell dir ganz kurz das Szenario vor, was wäre, wenn niemand mehr Angst hätte …
Ganz ohne ist auch nicht erstrebenswert.
Angst ist erst einmal ein wertvolles Gefühl
Angst hat eine wichtige Aufgabe: Sie warnt und sie beschützt uns vor Gefahrensituationen.
Angst ermöglicht Abkürzungen in unserem Gehirn. Dadurch werden nötige Ressourcen für eine schnelle Reaktion frei gesetzt. Das ist unser Fight-Flight-Freezing-System.
In einer angstauslösenden Situation können wir kämpfen, fliehen oder erstarren.
Kämpfen – Fliehen – Erstarren
Um uns für eine Variante zu entscheiden, bleibt wenig Zeit und daher ist so eine Abkürzung im Gehirn sinnvoll. Für längere kongnitive Prozesse, die wir eventuell mit einer Pro und Contra Liste angehen ist nicht der geeignete Moment.
- Kämpfen – Du setzt dich körperlich oder verbal zur Wehr, um der Situation zu entkommen
- Fliehen – Du verlässt die beängstigende Situation.
- Erstarren – Wenn weglaufen oder kämpfen nicht möglich oder gefährlich sind, bleibt uns diese Option, sich unauffällig verhalten.
Erlernte Ängste
Angst basiert auf Lernerfahrungen, die wir gemacht haben. Manche Dinge probieren wir nur einmal aus …
- Kinder, die auf die Herdplatte packen
- jugendlicher Leichtsinn
Du kennst solche Erfahrungen, da bin ich mir sicher. Auf einige hättest du vielleicht lieber verzichtet.
Und manche Ängste haben wir auch gelernt, ohne eine Erfahrung aktiv selbst machen zu müssen. Wir haben Warnungen bekommen oder Geschichten gehört.
Ein Weg aus der Angst heraus führt dich durch die Angst
Gefühle wollen gefühlt werden. Eine natürliche emotionale Reaktion kommt wie eine Welle und klingt als solche wieder ab.
Eine Welle kann auf Hindernisse stoßen und gebrochen werden. Sie kann auch weiter angefüttert werden und zu einer großen Welle werden.
Wenn du deiner Angst also Blockaden in den Weg stellst, sucht sie sich andere Wege und diese sind nicht unbedingt angenehmer oder leichter auszuhalten. Unterdrücken ist daher nur begrenzt nützlich.
Wenn du deine Angst weiter anfütterst, indem du dich rein steigerst, wird sie stärker. Es wird wahrscheinlicher, dass du das Gefühl bekommst, in der Welle zu ertrinken.
Ein Gefühl möchte gefühlt werden, um wieder abzuklingen. Dafür braucht es den nötgen Freiraum.
Im Moment der Angst
Ein Gefühl hat eine Botschaft.
Besteht eine akute Gefahr, dann sorge für deine Sicherheit. Erst danach ist Zeit für weitere Überlegungen.
Es gibt zahlreiche Situationen, in denen wir Angst empfinden, ohne dass eine akute Gefahr besteht.
Wenn wir beispielsweise Angst vor etwas haben, das uns bevor steht. Angst davor, etwas bestimmten zu tun, was wir vielleicht auch gerne tun würden.
In diesen Momenten lohnt es sich, der Angst zu begegnen, denn Angst führt zu Vermeidungsverhalten. Vermeidungsverhalten führt zur Aufrechterhaltung der Angst, denn wir nehmen uns die Chance auf eine positive Erfahrung.
Daraus könnte sich eine Angststörung entwickeln. Falls du dich fragst, ob du möglicherweise eine Therapie brauchst, habe ich dafür einen separaten Beitrag geschrieben.
Auch wenn du einer vermeintlichen Gefahrensituation entkommen bist, darfst du deine Angst hinterfragen. War sie angemessen und hilfreich?
Nachfolgend biete ich dir eine Reihe von Reflexionsfragen. Nutze sie so, wie es dir nützlich erscheint. Du brauchst sie nicht alle beantworten.
Brauchst du diese Angst noch? – eine Zeitreise
Für die folgenden Fragen ist es hilfreich, wenn du dich innerlich mit einer bestimmten Angst verbindest.
Wie war es als Kind mit dieser Angst?
Wie als Jugendliche, junge Erwachsene? Wie ist es heute?
Was hat sich verändert?
Welche positiven Erfahrungen hast du gemacht?
Hast du dir die Chance gegeben andere Erfahrungen zu machen?
Brauchst du diese Angst noch oder gehört sie in einen anderen Lebensabschnitt?
Falls du sie noch behältst, schau sie dir genauer an. Was tut diese Angst für dich? Welchen Dienst erweist sie dir?
Und wen oder was brauchst du, um mit der Angst auszuhandeln, was du tun möchtest? Wie kannst du mit der Angst im Gepäck handlungsfähig sein?
Dialog mit deiner Angst
Ich lade dich ein, mit deiner Angst in einen Dialog zu gehen. Stell sie dir als Engelchen und Teufelchen auf deiner Schulter vor.
Das Teufelchen ist dir vielleicht vertraut. Es ist die laute Stimme, die du oft gern los werden möchtest.
Das Engelchen meint es gut mit dir und wird oft übersehen.
Frag beide mal:
Was möchtest du von mir?
Was brauchst du?
Und sag ihnen, was du gerne möchtest.
Geht in einen Dialog und eine Verhandlung über die angstausöäsenden Situationen.
Wie möchtest du in Zukunft mit diesen umgehen? Welche Rolle dürfen Engelchen und Teufelchen auf deiner Schulter spielen?
Aus dem Dialog in eine innere Konferenz
Vielleicht ist es hilfreich, wenn du weitere innere Anteile an der Konferent teilhaben lässt.
Wen brauchen Engelchen und Teufelchen an ihrer Seite? Oder wer könnte sich ihnen entgegen stellen?
Überleg dir für diese eigene Figuren. Auch deiner Angst kannst du eine andere Form geben.
Wie immer gilt, ich gebe dir lediglich Anregungen. Fühl dich frei, sie für dich flexibel anzuwenden.
Du kommst alleine nicht weiter?
Melde dich gerne bei mir und wir begegnen deiner Angst gemeinsam.
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Die Angst vor engen Räumen, vor dem nicht-entkommen-können, fiel eines Tages plötzlich vom Himmel – mitten in mein Leben.
Bis dahin hatte ich nur meine Mutter darüber sprechen gehört – sie führte ihre angst vor Tunneln darauf zurück, dass mein Großvater Bergmann unter Tage gewesen war.
Ob es da Zusammenhänge gab? keine Ahnung.
Mir fiel sie vor die Füße als ich in Palenque in Mexico eine der Pyramiden von innen anschauen wollte. Nicht die erste. Plötzlich „musste“ ich umdrehen – mitten in der Besucherschlange.
Von da an war sie vertraut – lästig – einschränkend.
Pyramiden und Bergwerke sah ich nur noch von außen – auch die Besichtigung einer Sektkellerei war eine riesige HErausforderung.
Noch schlimmer war der Elbtunnel. Fast 3 km lang – und während meiner Außendienstzeit ein häufiger Weg zu Kunden in Nordfriesland.
Selbst auf dem Beifahrersitz nur mit sehr schweißigen Händen zu ertragen.
Ich wich jahrelang auf Fähr-fahrten über die Elbe aus – denn selbst fahren war zu gefährlich.
Der pure Horror war die Fahrt durch den Gotthard-Tunnel. Ca. 20 km glaube ich. Und die (Außen)Temperaturanzeige im Auto stieg bis auf 60 Grad …..
Das war keine Angst mehr – das war jedesmal kurz vor der Panikattacke.
Durch den Gotthard-Tunnel werde ich nie wieder fahren – das steht fest.
Alle anderen nehme ich inzwischen locker. Die Angst habe ich verabschiedet.
In einer Konfrontationstherapie zu Fuß durch den alten Elbtunnel – vor vielen Jahren.
Ich versprach mir mit jedem Schritt, dass ich umdrehen darf. Ich machte es ganz alleine – meine Begleiter waren weit auf Abstand – so wollte ich es.
Der Tunnel ist 1 km lang – nach 500 m war ich am schwierigsten Punkt. Umdrehen? oder weitergehen?
Ich ging weiter – und dann den ganzen Weg wieder zurück.
Und bei jedem ! Besuch in Hamburg mache ich eine Wieder-Auffrischungs-„Impfung“ durch den alten Elbtunnel – weil es dort einfach wunderschön ist.
Ja – ich habe den Dialog gesucht mit der Angst. Und es war hilfreich.
Sie ist nicht „weg“ – aber ich kann gut mit ihr die Alltagserfordernisse meistern.
Ich muss keine Umwege mehr fahren nur weil ein Tunnel im Weg ist.
Elbfähre fahre ich trotzdem weiterhin – einfach weil es schön ist!
Liebe Lydia,
ich danke dir für deine Geschichte, mit all den Verbindungen. Jede Angst hat ihre Geschichte.
Du hast sie losgelassen und einen Teil behalten.
Den Alltag meistern ist für mich ein entscheidender Punkt. Dein Leben leben zu können ist wichtig.
Und am alten Elbtunnel bin ich auch schon gewesen lange her, beeindruckend. Es berührt mich sehr, wie du über deine Angst schreibst und dem alten Elbtunnel auch etwas wunderschönes zuschreibst. Die Fähre ist ebenfalls schön und du entschiedest dich jedes Mal neu für Tunnel und Fähren.
Durch den Gotthard-Tunnel bin ich noch nicht gefahren, vor der Länge habe ich großen Respekt und ich finde, den dürfen wir auch haben.
Alles Liebe
Stephanie