Meine Depression geht niemanden was an und meinen Chef erst recht nicht!

Das ist richtig! Du musst deinem Chef nichts über deine Depression sagen.

Umgekehrt haben Unternehmen eine Fürsorgepflicht. Paragraf 5 des Arbeitsschutzgesetztes sieht vor, dass Arbeitgeber eine mögliche Gefährdung im Kontext der Arbeit ihrer Beschäftigten ermitteln und diese kann unter anderem eben auch durch psychische Balastungen gegeben sein.

Das bedeutet nicht, dass sie ein Recht haben, die Information einzufordern, wie es dir geht. Es bedeutet, dass Unternehmen zumutbare Arbeitsbedingungen schaffen müssen. So verstehe ich das.

Mentale Gesundheit ist ein relevantes Thema in allen Lebensbereichen, finde ich.

Neulich habe ich einen interaktiven Vortrag mit dem provokanten Titel „Warum mentale Gesundheit auch Chefsache ist“ gehalten. Den ersten Teil hätte ich besser als Argumentation genutzt, um den Vortrag überhaupt zu hören, daher dieser Beitrag. Gerne würde ich diesen erneut halten, insbesondere den interaktiven Part, in dem es vertiefend um Depression ging. Dabei ging es mir darum, eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, wie es Menschen mit depressiver Symptomatik geht.

In diesem Beitrag geht es also um die Frage, inwiefern Mentale Gesundheit  relevant für Unternehmen, eben auch Chefsache ist.

Über mentale Gesundheit wird derzeit viel geschrieben und gesprochen. Das begrüße ich sehr, denn es trägt dazu bei, dass psychische Erkrankungen entstigmatisiert werden. Wer ein gebrochenes Bein oder einen Infekt hat, bekommt Genesungswünsche und Verständnis entgegengebracht, wenn man eine Zeit lang gesundheitlich im Job, Ehrenamt oder auch im Verein ausfällt.

Hat jemand eine Depression oder andere Diagnose, trifft diese Person oft auf Unverständnis und Vorurteile. Sie soll sich zusammenreißen, nicht so anstellen … Wenn das so einfach wäre, würde die Person nicht so leiden. Das schlimme ist, dass es oft erst auffällt, nachdem die Person sich bereits eine Weile zusammen gerissen hat und dies eben nicht mehr kann.

Was ist mentale Gesundheit?

Die Definition der Weltgesundheitsorganisation erscheint mir sehr anspruchsvoll zu sein:

Psychische Gesundheit ist ein Zustand des geistigen Wohlbefindens, der es Menschen ermöglicht, mit den Belastungen des Lebens umzugehen, ihre Fähigkeiten zu verwirklichen, gut zu lernen und gut zu arbeiten und einen Beitrag zu ihrer Gemeinschaft zu leisten

Quelle: WHO

Diese Definition lässt mich an eine singende Disney Prinzessin denken.

Kritiker werfen der WHO vor, sie schufen eine Utopie mit ihrer ersten Definition von Gesundheit.

Wenn Gesundheit eine Utopie ist, ist Krankheit dann eine Dystopie?

Depression kann sich wie eine anfühlen. Alles ist düster und hoffnungslos.

Wir bewegen uns im Laufe unseres Lebens zwischen beiden Polen des Kontinuums zwischen Gesundheit und Krankheit. Wir alle gehen durch belastende Phasen: Pubertät, Umzug, neuer Job, Trauer, etc.

Es ist eine Weile herausfordernd und bringt uns an unsere Grenzen, dann wird es wieder besser. Doch wenn es das  nicht wird, ist es wichtig genauer hinschauen. Dann sind wir möglciherweise in einem kritischen Bereich, der einer professionellen Unterstützung bedarf.

Depression ist teuer

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen.

Der Gesundheitsatltas Deutschland Depression des WIdO (Wissenschaftliches Institut AOK, 2024) stellt hierzu ein paar interessante Zahlen zur Verfügung:

Im Jahr 2022 litten in Deutschland 9,49 Millionen Menschen ab dem zehnten Lebensjahr unter Depressionen.

Die direkten Krankheitskosten belaufen sich auf 9,5 Millarden Euro.

2,9% der Fehltage im Job entfallen auf Depressionen. Im Schnitt fehlen Menschen mit Depression 43 Tage, was im Vergleich zu den längsten Ausfällen zählt.

Schaut man sich den Produktionsausfall (Lohnkosten) an, betragen die Kosten 6,9 Millonen Euro. Die Bruttowertschöpfung (Arbeitsplatzproduktivität) wird auf 11,8 Milliarden Euro geschätzt.

Neben der Fehlzeiten ist auch Präsentismus ein Problem. Menschen sind eingeschränkt leistungsfähig, möglicherweise fehleranfällig, wenn sie krank zur Arbeit kommen.

Depression als Chefsache

Die Ursachen für Depressionen sind multifaktoriell und zu behaupten, die Arbeit mache krank, greift zu kurz. Arbeit ist ein Lebensbereich in dem depressive Symptome auffallen können.

Arbeitsbedingungen können einen Einfluss auf die Symptome nehmen, sowohl schützende, als auch belastende. Und hier ist es Chefsache, die schützenden Faktoren zu stärken und gegen belastende vorzugehen. Dies kann beispielsweise anhaltender Stress, Mobbing, Konflikte oder Unzufriedenheit sein.

Betroffene verschweigen häufig, wie es ihnen geht, aus Schamgefühl oder Sorge vor Stigmatisierung. Kolleg*innen und Führungskräfte sind oft verunsichert.

Hilfreich ist ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu haben. Es gibt keine Offenbaraungspflicht, aber es kann entlastend sein über die Depression zu sprechen.

Eine unterstützende Unternehmenskultur wirkt für alle!

Anerkennung und Wertschätzung sind wichtige Faktoren, ebenso Entsigmatisierung und eine Kultur, in der Fehler und Schwächen ihren Raum haben dürfen. Führungskräfte haben eine ermutigende Vorbildfunktion, was zu einem postiven Arbeitsumfeld beiträgt. Daher ist wichtig den eigenen Umgang mit Emotionen und mentalen Belastungen zu reflektieren.

Wie kann ich unterscheiden, ob jemand ein mentales Problem hat oder einfach schlecht drauf ist?

Anregungen für Chef*innen und Kolleg*innen

Auch wenn jemand einfach schlecht drauf ist, freut sich die Person möglicherweise darüber, wenn du ehrliches Interesse daran hast, was los ist. Eine freundliche Frage, die mehr ist als Small-Talk „Wie geht´s?“ und ein offenes Ohr können gut tun.

Es ist nicht deine Aufgabe zu unterscheiden, ob jemand eventuell professionelle Hilfe braucht, schon gar nicht Diagnosen zu stellen. Im Rahmen deiner Möglichkeiten und Ressourcen kannst du da sein für andere, zuhören und ermutigen, möglicherweise auch gemeinsam nach konkreten Lösungen suchen.
Insbesondere als Führungskraft kann es deine Aufgabe sein, mit der Person darüber zu sprechen, wie sie bestmöglich weiter arbeiten kann.

Bei Depressionen kommt es zu Arbeitsausfällen, das muss aber nicht zwingend sein. Für viele ist die Arbeit auch eine wertvolle Ressource während einer depressiven Episode. Der Arbeitsalltag kann eine Struktur und soziale Kontakte bieten. Im Einzelfall ist zu besprechen, was möglich ist, abhängig von der Symptomatik, den Aufgabenbereichen und Arbeitsbedingungen.

Ausblick

Im Vortrag bin ich vertiefend darauf eingegangen, was genau Depression ist und habe in Form des „Dungeon der Depression“ eine Erfahrung ermöglicht, wie Depression aussehen und  ein Weg aus der Depression heraus gestaltet werden kann. Den Dungeon habe ich zunächst auf einem Barcamp ausprobiert und darüber ausführlicher geschrieben, die Methode entwickelt sich weiter.

In einem MHFA-Ersthelferkurs kannst du Basiswissen über psychische Störungen kennen lernen, dich dafür sensibilisieren mentale Probleme zu erkennen, ohne Diagnosen zu stellen, überlass das den Fachkräften. Im Kurs übst du anzusprechen, welche Veränderungen dir bei vertrauten Personen auffallen und wie du diese unterstützen kannst. Es geht darum, Brücken ins Hilfesystem zu bauen und das möglichst frühzeitig.

Ich stehe sowohl für Vorträge, als auch Workshops und MHFA-Ersthelferkurse zur Verfügung. Ebenso für individuelle Beratung und Systemsiche Therapie.
Kontaktiere mich gerne und wir finden für dich oder euch ein passendes Angebot.

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