Jedes Individuum hat eine eigene Strahlkraft und Einzigartigkeit. Und jedes Individuum kann nur im größeren Kontext leuchten. Dafür brauchen wir soziale Netzwerke (nicht nur, aber auch Social Media).

Natalie Knapp sprach beim Fachtag Zuversicht und Zumutung über menschliche Netzwerke und Verbindungen. Es war berührend, Mut machend und inspirierend.

In diesem Beitrag möchte ich einige ihrer Gedanken wieder geben, wie sie bei mir angekommen sind. Gegen Ende sagte sie, dass wir alle einen anderen Vortrag gehört haben. Ich kann euch lediglich erzählen, was bei mir angekommen ist. Sie ist eine großartige Rednerin (Webseite von Natalie Knapp) und hat den Vortrag mit tollen Geschichten veranschaulicht.

Szene auf der Bühne: Präsentation im Hintergrund: "Keynote Dr. Natalie Knapp, Die Kraft des Wir - Die Psychologie von Netzwerken" Links im Bild Natalie Knapp und rechts Christopher Klütmann

Musterunterbrechungen in sozialen Netzwerken

Natalie Knapp erklärt menschliche Netzwerke mit Quantenphysik, auf Augenhöhe, nicht vom Elfenbeinturm aus. Gleichzeitig wertschätzt sie unsere Arbeit als systemisch tätige Menschen in unterschiedlichen Kontexten, denn Musterunterbrechung in zwischenmenschlicher Interaktion ist ein zentraler Teil unserer Arbeit.

Jeder Impuls der ankommt, pflanzt sich fort. Es ist eine Reiz-Reaktions-Kette. Auf diese können wir Einfluss nehmen, indem wir das Schema unterbrechen.

Wenn wir auf unerwartete Weise reagieren, unterbrechen wir vertraute Muster. Etwa als sie einem Anrufer, der sich wortreich beschwerte die Frage stellte: „Gibt es noch etwas, wofür sie mich heute beleidigen wollen?“

Für solche Unterbrechungen braucht es Übung, Bewusstsein und Techniken der Emotionsregulation. Es gelingt, wenn du ein gutes Gespür für dich selbst hast.

Ein soziales Netzwerk ist die gesamte Dynamik der Reize und Reaktionen, die uns formen. Wir knüpfen diese Netze nicht einmal mit Absicht.

Oftmals reagieren wir einfach nur und andere entscheiden. Wir alle haben die Chance Reiz-Reaktions-Schemata zu unterbrechen und neue Impulse zu setzen.

Kleine Momente können Lebensgeschichten verändern, wenn wir anders reagieren.

Innehalten schafft eine Leerstelle im Netz. Das schafft die Möglichkeit zu Veränderung. Diese Momente sind oft mutig, können mit Unwohlsein verbunden sein.

Möglichkeiten zu Veränderungen ergeben sich, wo wir Leerstellen spüren oder schaffen.

Diese Kettenreaktionen sind unser Leben und wir wollen auch nicht alle verändern, nur manche.

Verbindungen entstehen

Was ich spannend finde ist der Gedanke, dass wir uns nicht aktiv vernetzen müssen, um vernetzt zu sein. Ich nehme bei vielen Menschen einen Druck wahr, sich vernetzen zu müssen, dies aktiv und zielgerichtet zu tun, was für mich nicht funktioniert.

Die Absichtslosigkeit in Begegnungen lässt für mich Verbindungen entstehen und in dieser Überzeugung fühle ich mich von Natalie Knapp bestärkt.

Kleine Seitenanekdote, während ich diese Zeilen schreibe, sitzt Birgit Nüchter an einem Beitrag über Netzwerken ohne Druck. Verbindungen in meiner kleinen Schreibzeit-Community.

Die Basis unserer Netzwerke sind die Reiz-Reaktions-Muster. Gefühle sind nichts exklusiv persönliches, sondern breiten sich in sozialen Netzwerken besonders aus. Daher empfiehlt Natalie Knapp, dass wir uns dieses Effektes bewusst werden und dafür sorgen, dass die Stimmung nicht kippt.

Auch Glück und Gesundheit sind kollektive Phänomene. Hierzu zitiert sie eine spannende US-Langzeitstudie über mehrere Generationen. Von wegen jeder sei seines Glückes Schmied.

Es ist absolut nicht egal, wie wir uns verhalten, weder online noch offline. Alles hat einen Einfluss, nicht nur auf eine Person, sondern über drei bis vier Kontakte hinweg.

Und wenn du dazu beiträgst, dass eine Wut sich nicht ausbreitet, hast du viel getan!

Welche Gesetze wirken in so einem Netzwerk?

Natalie Knapp stellt drei Gesetze vor, um die Wirkweisen in sozialen Netzwerken zu beschreiben. Diese können Familien, Kollegien, eine Gesellschaft oder auch Social Media Kanäle sein, die Prinzipien sind dieselben und es bleibt nicht unbedingt innnerhalb der Familie. Es gibt Verbindungen zwischen Netzwerken, aber eins nach dem anderen:

1. Gesetz der kleinen Welt

Über sechs Kontakte ist jeder mit jedem bekannt.

Dazu gibt es einige Studien und Corona hat uns gezeigt, wie innerhalb weniger Wochen die ganze Welt lahmgelegt werden kann.

Alles ist also mit allem verbunden.

2. Brücken bauen

Es können Brücken zwischen einzelnen Netzwerken entstehen und dies passiert vor allem bei schwachen Bindungen.

Da spricht der Schwager auf dem Golfplatz mit der passenden Person über die Probleme in der Kita seiner Nichte und zack findet sich eine Lösung, indem er eine Brücke baut, zwischen zwei Netzwerken, die nichts miteinander zu tun hatten. Mark Granovetter schrieb einst über die „Stärke der schwachen Bindung“. Zum Schlagwort „Schwache Bindung“ findest du viele Quellen, wähle selbst, wo du vertiefend weiter lesen magst.

Schwache Bindungen sind wichtig, weil sie uns mit dem großen Wirknetz des Lebens verbinden.

Jeder von uns kann in jedem Moment zum Brückenbauenden werden. Und genau da setzen die MHFA-Kurse an: Laien ausbilden, damit sie sensibilisiert sind zu erkennen, wenn Menschen in ihrem Umfeld mentale Probleme entwickeln. Sie werden im Kurs dazu befähigt, ein Gespräch zu führen und eine Brücke ins Hilfesystem zu bauen. Ich arbeite gerne mit dieser starken Metapher in meinen Kursen.

Bückenbauen ist der Joker im Kartenspiel des Lebens. Es ist nicht planbar, Zufall ebnet den Weg.

Genau das ist mir auf dem Fachtag passiert. Kaum war ich angekommen, traf ich jemanden aus der Ausbildung wieder. Wir begrüßten uns und sie stellte mir ihre Freundin vor. Es war ein Wort, dass sie sagte: „Design“. Eigentlich wollte sie mir erzählen, wie sie zum Systemischen gekommen ist, durfte sie auch in einem späteren Gespräch. In dem Moment ging ich über eine Brücke, die mir die Kollegin unwissend gebaut hatte. Ein Gespräch steht noch aus, daher verrate ich nicht mehr. Aus „Kennt ihr euch?“ wird möglicherweise eine Zusammenarbeit für #KometsZeitreiseprojekt.

So funktioniert für mich Netzwerken. Verbindung entsteht durch mehrere Gespräche und wir sind uns an diesem Tag mehrfach begegnet, ein paar Tage später schrieb ich ihr eine Mail …

3. Gesetz der Verteilerzentren

Verteilerzentren sind gut vernetzte Vertrauenspersonen, die agieren wie Logistikzentren, die Pakete versenden. Diese Personen verteilen Informationen. Dabei haben sie meist keine eigene Agenda. Sie sind freundlich, hilfsbereit und kontaktfreudig.

Sie sind oft leicht zu erkennen und an Orten anzufinden, wo entspannte Kommunikation möglich ist.

Wer hat die Macht in einem sozialen Netzwerk etwas zu verändern?

Auch wenn es den Anschein haben mag, hat niemand alleine die Macht! Macht ist verteilt.

Machtpositionen

  • Infrastruktur: Wer begegnet wem, wie und wann?
  • Zufall: häufig durch Brückenbauer*innen genutzt, die offizielle Wege unterlaufen
  • Verteilerpersonen
  • Wir alle können Leerstellen im Netz schaffen, die wenigsten tun das.

Wir brauchen 3 Dinge um Macht zu nutzen:

  1. Ein gutes Gespür für sich selbst (Emotionsregulation)
  2. Eigene Werte, um sich überhaupt die Mühe zu machen
  3. Haltung = automatisierte Werte

Wenn du dir deiner Werte bewusst bist, kannst du nicht so leicht umgeworfen werden.

Das Unterbrechen von Reiz-Reaktionen können wir am besten zusammen üben in Gruppen von Gleichgesinnten. Gleichzeitig ist es unsere (Menschen im Publikum) Aufgabe in systemischer Beratung, Therapie oder Coaching Musterunterbrechungen mit Menschen zu üben und sie darin zu begleiten, ein gutes Gefühl für sich selbst, sowie Werte und Haltung zu entwickeln.

Wir unterstützen Menschen darin, bei sich selbst anzukommen und diese Arbeit liebe ich sehr!

Was tun soziale Netze?

Sie reproduzieren sich selbst und bieten daher keine Orientierung, auch wenn wir diese in ihnen suchen.

Wenn wir uns der Reiz-Reaktions-Muster bewusst werden, erkennen wir die Chance, eigene Impulse auf Basis unserer Werte in unsere Netzwerke einzuspeisen und wenig hilfreiche Muster zu unterbrechen. Gleichzeitig geben wir den sozialen Netzen eine Chance, ein eigenes Bewusstsein zu entdecken und sich zu entwickeln.

Und dieses Bild hat mich direkt an die KI denken lassen. Wie viel wird gerade über KI diskutiert, Details wie Gedankenstriche auf LinkedIn immer wieder reproduziert?

Hat KI bereits ein eigenes Bewusstsein? Eine spannende Frage.

Darüber dürfen wir die Frage nach dem Bewusstsein unserer sozialen Netzwerke nicht vergessen.

Wie bewusst bist du dir deiner selbst? Wie bewusst ist sich dein Netzwerk, deine Community? Und du bist sicher mit mehr als einem verbunden. Familie, Nachbarschaft, berufliche Netze, virtuelle Netze, Vereine, Interessen, persönliche Orientierungen, …

Danke Natalie Knapp

Dieser Text ist kein Transkript des Vortrages. Es ist eine Aufarbeitung meiner persönlichen Notizen, die jetzt doppelt durch meine eigenen Filter gelaufen sind und an einigen Stellen weiter gedacht wurden. So wie wir Menschen im Saal alle einen unterschiedlichen Vortrag gehört haben, liest du gerade deinen Blogbeitrag.

In diesen Worten stecken so viele Impulse, die ich bereits verändert habe und du hast die Freiheit der eigenen Wahrnehmung und bewussten Entscheidung, welche Impulse du weiter verbreitest.

Wie sagte Natalie Knapp, sie erreicht mit diesen Worten, nicht nur uns, die zuhören, sondern auch die Menschen, denen wir begegnen.

Danke!

Natalie Knapp hat bereits mehrere Bücher veröffentlicht und hält regelmäßig Vorträge. Sie ist promovierte Philosophin und ihr Vortrag war für mich ein Leuchtfeuer.

Was ich für mich mitnehme: Verbindungen und Netze entstehen

Während des Vortrages war ein Feuerwerk in meinem Kopf. Die Worte dockten an vielem an, was bereits da war, berührten mich tief und passen so gut zu meinem Monat der Verbindung.

Wir müssen gar nichts, wir können und dürfen Impulse setzen.

Die Absichtslosigkeit des zwischenmenschlichen Kontaktes ermöglicht Brücken zu bauen, manchmal für uns selbst, manchmal für andere. Aus Begegnungen kann etwas entstehen, muss aber nicht.

Kontext: Fachtag „Zuversicht und Zumutung“

Am 14. Juni fand der Fachtag anlässlich des 50. Geburtstages des IF Weinheim statt, dem ersten deutschen systemischen Ausbildungsinstitut.

Über die Veranstaltung habe ich in meinem anderen Blog geschrieben

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