Es gibt in der Psychologie zahlreiche Motivationstheorien. Das Rubikon-Modell von Gollwitzer und Heckhausen schätze ich sehr, da es uns hilft, zu verstehen, wann wir ins Handeln kommen und warum wir oft in der Phase davor verharren.
Was ist der Rubikon?
Der Rubikon ist ein Fluss in Italien, er mündet südlich von Ravenna in die Adria. Die Metapher bezieht sich auf den guten alten Ceasar. Die Überquerung des Flusses kam einer Kriegserklärung gleich und es gab danach kein Zurück mehr. In diesem Zusammenhang steht auch das Zitat „Alea iacta est“ (Die Würfel sind gefallen).
Wenn der Rubikon überschritten ist, gibt es kein Zurück mehr in die Phase des Abwägens. Die Entscheidung ist getroffen, wir verfolgen unser Ziel, erreichen es oder scheitern daran.
4 Phasen des Rubikon-Modells
Das Modell beschreibt 4 Handlungsphasen:
- Abwägen
- Planen
- Handeln
- Bewerten
Dabei beschreiben die erste und letzte Phase die Motivation. Die Phase des Planens und Handelns sind die Volitions-Phasen. In diesen spielt die Willenskraft eine entscheidende Rolle. Du willst dein Ziel erreichen und deswegen handelst du.
1. Phase des Abwegens
In der Prädezisionalen Phase befinden wir uns vor der Entscheidung. Wir können sie uns als sprudelnde Quelle der Wunschproduktion vorstellen. Sie ist ganz im Sinne der Erwartungswerttheorien geprägt, die besagen, dass wir mit der Zielsetzung gewisse Erwartungen verknüpfen, denen wir einen Wert beimessen. Erwartest du, das Ziel nicht zu erreichen, wirst du gar nicht erst anfangen. Erwartest du, dass du das Ziel erreichen kannst, aber dies mit hoher Anstrengung verbunden ist, hängt es davon ab, welchen Wert du dem Ziel beimisst. Lohnt sich der Aufwand?
Eine zentrale Rolle spielen in dieser Phase:
- Wünsche
- Bedürfnisse
- Leitlinien und Werte
- Visionen
Was hättest du gerne?
Welche Bedürfnisse (Motive) sollen befriedigt werden?
Was ist dir wichtig?
Welchen Regeln folgst du?
Manchmal sind das auch nicht unsere eigenen. Erwartungen anderer, z.B. unserer Eltern, können einen starken Einfluss auf die Ausbildungswahl haben.
»In unserer Familie sind alle Juristen/ Ärzte«
Welche Vision hast du von deiner Zukunft?
Das kann eine nahe Zukunft sein oder auch eine, die beispielsweise nach der Ausbildung liegt. Der innere Konflikt der Studienwahl kann aufgelöst werden, indem du dir bewusst machst, dass es dir wichtiger ist, zufrieden in deinem Job zu sein, als den Familientraditionen zu folgen. Wenn deine Eltern jetzt enttäuscht sind, ist das kurzfristig belastend, aber nicht so sehr, wie dich durch ein Studium zu quälen und anschließend in einem Beruf zu landen, den du nie wolltest.
In dieser Phase lassen wir viele Ideen zu, sind offen für Anregungen von außen. Alles ist möglich.
Der entscheidende erste Schritt führt über den Rubikon. Es wird eine Entscheidung getroffen. Das Ziel wird benannt und es gibt keinen Weg mehr zurück. Dieser Schritt ist wichtig, um nicht in der Phase des Abwägens zu verharren.
Diese Phase kann unterschiedlich lange dauern.
Beispiel – meine systemische Ausbildung
Was meine Entscheidung angeht, die Weiterbildung zur systemischen Beraterin zu machen, bin ich Jahre in der Phase des Abwägens gewesen.
Die Idee kam mir bereits im Studium. Ich habe damals sogar mit einer Freundin eine Infoveranstaltung besucht. Es erschien mir damals unbezahlbar und nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, um anzufangen. Ich ging damals nicht über den Rubikon. Meine Freundin übrigens auch nicht, sie hat später einen anderen Weiterbildungsweg eingeschlagen.
In den darauffolgenden Jahren war ich nicht dauerhaft in der Phase des Abwägens, eher immer mal wieder. Was mich abhielt über den Rubikon zu gehen, waren weiterhin die Kosten und das Gefühl, es sei nicht der richtige Zeitpunkt.
In meinem Kopf setzte sich der Gedanke fest, ich müsse erst den passenden Job finden, in dem ich das Gelernte auch umsetzen könnte. Erst ein Umdenken hat mir geholfen, weiter zu kommen.
Will ich das wirklich? ~ Ja
Kann ich das schaffen? ~ Ja
Was will ich damit anfangen? ~ Mich letztendlich selbstständig machen. Ich brauche nicht erst den passenden Job für die Weiterbildung!
Kann ich mir das leisten? ~ Es ist eine Investition in mich selbst, die sich auch monetär auszahlen wird.
Endlich stieg ich aus dem elendigen Kreislauf des Abwägens raus. Mein erster Schritt führte mich erneut zu einer Infoveranstaltung. Offen war noch die Entscheidung: Approbationsausbildung ja oder nein?
Diese traf ich vergleichsweise schnell und meldete mich kurz darauf für mein erstes Grundlagenseminar am IF Weinheim an. Die Entscheidung für das Institut hatte ich bereits Jahre zuvor getroffen. In der Phase des Abwägens ist alles möglich und so bin ich zwischenzeitlich mal bei einem kostenfreien Schnupperseminar in einem anderen Institut gewesen. Es hat mich nicht überzeugt und so hatte ich es wieder nicht über den Rubikon geschafft.
2. Planungsphase
Diese Phase ist sowohl postdeszisional, wir haben eine Entscheidung getroffen, als auch präaktional, wir handeln noch nicht.
Hier geht es um die Zielsetzung und die Frage, wie wir dieses erreichen wollen.
Was brauchen wir dazu?
Wie organisieren wir uns?
Wir fassen Vorsätze und schmieden Pläne. Das ist im Studium die Phase vor jedem Semester, in der viele sich vornehmen, jede Veranstaltung sofort nachzubereiten und nicht wieder in Lernstress kurz vor den Prüfungen zu geraten …
Wenn es um die Formulierung der Ziele geht, gilt: Je konkreter sie sind und je klarer wir uns eine Zielerreichungszukunft vorstellen können, desto stärker wird unsere Durchführungsintention. Es fällt uns leichter dran zu bleiben, das Ziel zu verfolgen, auch wenn es mal schwierig wird.
Bei der Formulierung des Ziels hilft es, sich an smarten Zielen zu orientieren.
Die Zielerreichungszukunft spielt auch in Beratung oder Coaching eine zentrale Rolle. Aus dieser lassen sich wunderbar konkrete Handlungsschritte ableiten.
Wichtig in dieser Phase: Wir hören auf nach Alternativen und Hindernissen zu suchen.
Mein Beispiel
Die Planungsphase war relativ kurz. Nachdem die Informationsveranstaltung sehr hilfreich gewesen ist, habe ich mir die Termine auf der Webseite des Ausbildungsinstitutes angesehen und gesehen, dass zeitnah ein Seminar stattfindet und ich anfangen könnte.
Ich habe mir die einzelnen Schritte vor Augen geführt: Am Anfang stehen die beiden Grundlagenseminare. Danach kannst du in die Ausbildung zur Beraterin oder Therapeutin gehen. Auch diese kannst du in zwei Etappen machen, es kosten nur eine kleine zusätzliche Gebühr und ich entscheide später, ob ich mehr machen möchtest.
Im ersten Schritt brauchte ich mich nur für die Grundlagenseminare zu entscheiden. Ich fasste das Ziel der anschließenden Beraterinnenausbildung bereits mit in den Blick. Hier war ich im Bereich der Zielerreichungszukunft, für diese wollte ich den qualifizierten Abschluss.
Für mich war noch wichtig, abzuklären, dass ich für das Seminar Urlaub nehmen konnte, in meinem damaligen Job gab es Einschränkungen, wann ich Urlaub nehem durfte. Danach stand dem nichts mehr im Wege. Tatsächlich habe ich aufgehört nach Hindernissen und Alternativen zu suchen. Die Entscheidung war getroffen und ich fokussierte mich nun auf die Frage, wie ich die Weiterbildung gestalten wollte.
3. Handlungsphase
In der aktionalen Phase sind wir im Tun. Wir verfolgen unser Ziel hartnäckig. Hier sind wir in einem starken Fokus, Gegenargumente lassen wir noch weniger an uns ran. Wir befinden uns in einer Art Tunnelblick, mitten drin und am Ende steht das Ziel. Von außen dringt kaum noch etwas durch.
Wenn es nötig wird, erhöhen wir unsere Anstrengung. Bei Hürden spielt unsere Willenskraft eine wichtige Rolle. Wir wollen das Ziel erreichen, deswegen tun wir das und überwinden auch die Herausforderungen, die sich uns stellen.
Je klarer wir unser Ziel formuliert haben und daraus Handlungsschritte abgeleitet haben, desto einfacher mag uns das fallen.
Mein Beispiel
Tatsächlich habe ich diese Phase sehr genossen. Im ersten Grundlagenseminar hatte ich das Gefühl: »Hier bin ich genau richtig« und das hat mich gestärkt, ebenso das Gespräch mit der Dozentin über meine Idee, mich als Systemische Beraterin selbstständig zu machen. Sie sagte, dass viele dies aus der Ausbildung heraus tun und das machte mir Mut, diesen Weg auch einzuschlagen.
Natürlich gab es Herausforderungen, eine davon war Menschen zu finden, mit denen ich das Gelernte üben konnte. Es war viel schwieriger als erwartet. Ich nutzte das Gelernte und die Gruppe, um die Herausforderungen zu meistern. Tatsächlich habe ich mich bereits aus der Ausbildung heraus selbstständig gemacht. Meine Willenskraft war eine große Hilfe.
4. Bewertungsphase
In der postaktionalen Phase endet die Handlung. Das Ziel ist erreicht oder wir sind gescheitert. Jetzt geht es darum, zu reflektieren:
- Haben wir das Ziel erreicht?
- Hält es, was es versprochen hat? (Ewartungswertansatz)
- Sind weiter Schritte nötig?
- Hat die Zielerreichung Auswirkung auf andere Ziele?
Je nachdem wie die Bewertung ausfällt, haben wir unterschiedliche Möglichkeiten. Wie können unser Anspruchsniveau senken und zufrieden sein, mit dem was wir erreicht haben, obwohl wir mehr gewollt hatten. Wir können neue Pläne schmieden, zum selben Ziel oder einem neuen.
Dann starten wie eine neue Phase des Abwägens.
Mein Beispiel
Bereits vor meinem offiziellen Abschluss bin ich in die Bewertungsphase gegangen.
Mein Fazit lautete: Ich bin auf dem richtigen Weg. Der Eindruck aus dem ersten Grundlagenseminar hat sich bestätigt. Ich bin dabei mir meine Selbstständigkeit aufzubauen und möchte diesen Weg weiter gehen. IF Weinheim ist das passende Institut und ich habe Dozent*innen gefunden, die mich dabei bestens begleiten, mich inspirieren und herausfordern, ebenso wunderbare Menschen, die ähnliche Wege gehen. Den Austausch mit ihnen erlebe ich als sehr bereichernd, mit einigen stehe ich noch in Kontakt.
Für mich stand eine neue Entscheidung an: Wie mache ich weiter? Weitermachen war für mich eine klare Entscheidung. Ich wollte mehr Seminare besuchen, mehr über mich lernen, mehr über das Systemische lernen, weiter im Austausch bleiben. Die neue Entscheidung galt es zu treffen zwischen Supervision oder Therapie. Ich wollte beides und es gab für beides unterschiedliche Argumente …
Im April 2023 starte ich mit dem Aufbauseminar zur systemischen Therapeutin, diesmal in einem festen Gruppenkontext. Auch hier galt es eine Entscheidung zu treffen, die zu den veränderten Umständen passte.
Der Gedanke an die Supervisionsausbildung klopft immer wieder an und ich sage mir: »Du bist danach dran.« Spätestens ab April komme ich in die Handlungsphase und in den erneuten Fokus. Ich freue mich darauf.
Warum handeln wir also oft nicht?
Wir verharren in der Phase des Abwägens. Es braucht einen ersten entscheidenden Schritt über den Rubikon. Dann braucht es eine hilfreiche Zielbindung, um dran zu bleiben.
Ihr kennt diese guten Vorsätze. Auch hier haben wir eine Entscheidung getroffen. Möglicherweise war das ein erster Schritt über den Rubikon. Wir haben es vielleicht auch anderen erzählt, was eine Verbindlichkeit herstellen sollte. Dooch irgendwie ist es dann dabei geblieben.
Und dann?
Manchmal verharren wir in der Planungsphase. Sich die Zielerreichungszukunft auszumalen kann auch sehr glücklich machen. Vielleicht reicht dir das?
Willst du es wirklich erreichen und erleben?
Formuliere dein Ziel so, dass es auch erreichbar erscheint.
Prüfe, ob dein Ziel smart ist.
Leite Handlungsschritte aus deiner Zielerreichungszukunft ab.
Prüfe auch deine Erwartungen. Glaubst du daran, dass du dein Ziel erreichen kannst?
Was brauchst du dazu?
Etwas nur haben oder sein zu wollen, reicht leider nicht immer aus.
Lies gerne zur Vertiefung weiter:
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