Sandra
„Jetzt bin ich dran!?“
Sandra
Verheiratet, Mutter von zwei Kindern, steht vor einer neuen Jobchance. Die letzte Zeit war geprägt von privaten Herausforderungen, Schwierigkeiten in der Beziehung. Eine Stimme in ihr wird immer lauter: Jetzt will ich mich auch mal um mich kümmern.
Du kennst Sandra noch nicht? Sie ist eine fiktive Figur. Lies hier die erste Etappe ihrer Kometenreise.
Das Gespräch mit Lukas Lehrerin und Stephanie war großartig. Zum ersten Mal habe ich Lukas Lehrerin geglaubt, dass ihr mein Sohn wirklich wichtig ist. Sie hat im Gespräch einen so wundervollen Satz gesagt. Jedes Kind sei besonders.
Lukas ist anders als die anderen Kinder in seiner Klasse, das war bisher Thema in unseren Gesprächen gewesen. Es stimme etwas nicht mit ihm und wir sollten herausfinden was. Dabei war es der Lehrerin gar nicht darum gegangen, dass etwas nicht mit ihm stimmt. Sie nimmt das Thema individuelle Förderung tatsächlich sehr ernst. Zum ersten Mal deutete sie an, dass Lukas nicht der einzige Besondere sei. Es gibt nicht die anderen. Im die Klasse gehen viele verschiedene Kinder mit ganz besonderen Bedürfnissen. Der Knackpunkt ist, dass unsere Lehrerin nicht erkennen konnte, was Lukas wirklich braucht. Sie hat sich von uns Hilfe gewünscht, Hilfe darin, ihn besser zu verstehen und ihn unterstützen zu können. Daher war sie sehr dankbar für den gemeinsamen Termin mit Stephanie gewesen.
Sie gab ohne Scheu zu, dass sie bisher keine Erfahrungen mit Autist*innen hat. Stephanie reagierte verständnisvoll. Dies sei schließlich kein Bestandteil des Lehramtsstudiums. Sie wertschätzte, dass die Lehrerin sich um jedes einzelne Kind bemühe und sich Zeit für dieses Gespräch nahm, was nicht selbstverständlich sei.
Nachdem Stephanie ihr kurz etwas zu den Unterschieden in der neurotypischen und neuroatypischen Wahrnehmung gesagt hatte, bat sie die Lehrerin zu berichten, inwiefern sich im Unterricht Probleme zeigten. Es gab vor allem zwei Problembereiche, die wir schließlich identifizierten.
Manchmal arbeitet Lukas sehr gut mit, dann verweigert er sich plötzlich, ohne für die Lehrerin nachvollziehbarem Grund. Wir stellten die Hypothese auf, dass dies die Momente sind, in denen Lukas alles zu viel wird. Die Lehrerin wollte das mal genauer beobachten und wir suchten gemeinsam nach Möglichkeiten, was Lukas dann gut tun würde.
Dazu fragt Stephanie mich, was zu Hause gut funktionieren würde. »Er zieht sich zurück«, sagte ich sofort. »Es kommt vor, dass wir gemeinsam ein Spiel spielen oder einen Film sehen und er einfach aufsteht und in sein Zimmer verschwindet.«
»Das ist in der Schule natürlich schwierig, wegen der Aufsicht«, gab die Lehrerin zu bedenken. »Wir haben im Klassenraum eine Sitzecke, wohin die Kinder sich zurückziehen können und ein Buch anschauen. Das hat Lukas bisher nicht genutzt. Ich vermute, das reicht ihm auch nicht, weil er noch immer die Klasse wahrnimmt, oder?«
»Es wäre wahrscheinlich leichter für ihn, wenn er kurz auf den Schulhof gehen und eine Runde laufen könnte«, sagte Stephanie.
»Der Schulhof ist vom Klassenraum aus nicht zu sehen. Das wird wirklich schwierig mit der Aufsicht.« Die Lehrerin überlegte eine Weile, dann kam ihr eine Idee.
»Es geht doch darum, dass er aus der Klasse rauskommt, am besten an einen Ort, an dem es ruhiger ist. Dort kann er abschalten und kommt zurück, wenn er sich wieder besser fühlt.«
Ich nickte und sah sie erwartungsvoll an. Stephanie ebenfalls.
»Vielleicht könnte er sich eine Weile zu unserer Schulsekretärin setzen? Ganz ruhig ist es da natürlich auch nicht, sie tippt oder telefoniert. Manchmal kommen andere Lehrende oder Kinder rein.«
»Was hältst du davon Sandra?«, fragte Stephanie mich.
»Wir könnten es ausprobieren. Vielleicht kann er dort etwas malen oder mit Kopfhörern Musik hören. Das hilft ihm auch oft, sich zu entspannen. Wir haben noch einen alten MP3-Player, den können wir ihm mitgeben.«
Die Lehrerin war begeistert von dem Vorschlag. »Ja, den können wir im Sekretariat deponieren, dann brauchen wir auch den anderen Kindern nichts erklären, dass er eine Sondererlaubnis hat.«
So hatten wir für die Auszeiten schon mal eine schöne Idee. Das andere Problem waren Gruppenarbeiten und generell der Umgang mit den anderen Kindern. Das Thema sah die Lehrerin nach diesem Gespräch etwas entspannter. Sie wollte darauf achten, dass Lukas eher in kleineren Gruppen arbeiten konnte. Zu zweit hatte es schon oft gut geklappt. Außerdem wollte sie mal bewusster darauf achten, mit wem er gut zusammen arbeiteten konnte.
»Es gäbe auch noch eine Möglichkeit«, schlug sie vor. »Wir könnten eine Schulbegleitung für ihn beantragen, jemanden der ihn im Umgang mit den anderen Kindern unterstützt und ihn in Auszeiten begleitet. Das wäre auch für mich eine Entlastung und käme vielleicht auch der Klasse insgesamt zugute.«
Diese Möglichkeit hatte Stephanie bei unserem letzten Gespräch bereits erwähnt. Sie erzählte, dass sie selbst einmal als Schulbegleitung gearbeitet hatte und es als sehr wertvoll erlebt habe, wenn die Lehrkraft dafür offen sei. Wir verabredeten, dass die Lehrerin und ich noch einmal in Ruhe darüber sprechen würden, wie eine solche Unterstützung aussehen könnte.
Zum Abschluss bedankte ich mich noch einmal erleichtert für die Unterstützung. Es tat so gut, zu sehen, dass sie Lukas wirklich helfen wollte und froh darüber war, jetzt auch Ideen zu haben, wie das aussehen könnte. Ich habe ehrlich Respekt davor, wie gut sie um Hilfe bitten und zugeben konnte, dass sie an die Grenzen ihrer eigenen Kompetenz kommt. Natürlich wäre es schön gewesen, das schon früher so deutlich von ihr gesagt zu bekommen. Wahrscheinlich hätte ich sie dann aber für inkompetent gehalten, wenn sie gesagt hätte: »Mit Ihrem Kind komme ich nicht zurecht.« Ich glaube, so etwas hat sie sogar gesagt, vorsichtig und freundlich. Alles was bei mir ankam war, dass etwas mit Lukas nicht stimmen würde.
Sandra ist eine fiktive Figur, sie soll dir zeigen, wie eine systemische Beratung aussehen könnte.
Lies hier mehr über sie und meine anderen Figuren.
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